Die Spur der Gene



Ob Vorsorge oder Therapie, die Bestimmung genetischer Faktoren spielt in der Krebsmedizin und entsprechend auch bei Eierstockkrebs eine immer größere Rolle.

 

Je differenzierter zum Beispiel die Genetik eines Tumors bestimmt wird, umso zielgerichteter und personalisierter lassen sich Therapien einsetzen, zum Beispiel PARP-Hemmer. Aber nicht nur Krebszellen können genetisch analysiert werden. Auch das Verständnis für vererbbare Gendefekte bei Menschen, die das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen erhöhen, ist gewachsen. Die Mechanismen solcher Defekte können unterschiedlich sein. Manche Defekte verhindern zum Beispiel, dass die körpereigene Abwehr gegen entartete Zellen aktiv wird. Andere Defekte führen wiederum zu einem übermäßigen Zellwachstum und einer schnelleren Zellteilung.

 

„Die Entdeckung der mutierten BRCA1- und BRCA2-

Gene, die mit einem erhöhten Risiko für Eierstock- und Brustkrebs einhergehen, markierten einen wichtigen Meilenstein in der Erforschung genetischer Faktoren bei

Krebserkrankungen", erklärt Priv.-Doz. Dr. med. Jacek Grabowski, Leiter der Genetiksprechstunde und der Ambulanten Spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) Gynäkologische Tumore am Campus Virchow-Klinikum der Charité.

 

Er betreut Frauen, die aufgrund ihrer Krebserkrankung und ihrer Familienanamnese eine genetische Beratung und Untersuchung haben vornehmen lassen.

 

„Natürlich sind nicht alle Fälle von Eierstockkrebs genetisch bedingt - nur circa 15 Prozent der betroffenen Frauen mit Eierstockkrebs sind Trägerin eines BRCA-Gendefekts.

 

Aber das Verständnis der genetischen Komponente ermöglicht es, präventive und therapeutische Maßnahmen zu ergreifen", so Dr. Grabowski. Darüber hinaus arbeite die Forschung aktuell auch sehr intensiv an weiteren Therapie-ansätzen bei bekannten Gen-Defekten.

 

Genetische Bestimmung: Vorsorge und Therapie

Fortschritte in der Forschung ermöglichen es heute aber auch noch auf weitere Gene zu testen, die mit einem erhöhten Risiko für Eierstockkrebs in Verbindung stehen könnten. Dazu zählen unter anderem Mutationen des BRIP1-Gens oder auch das Lynch-Syndrom (HNPCC).

Dr. Jacek Grabowski rät Frauen mit einer Eierstockkrebs-erkrankung vor allem dann zu einer genetischen Untersu-chung, wenn folgende Faktoren auf sie zutreffen:

 

Familiäre Vorbelastung

Wenn enge Verwandte (u.a. Mutter, Schwester, Tochter) Eierstockkrebs hatten, oder wenn Brustkrebs in der Familie auftritt, könnte dies auf eine genetische Veranlagung hinweisen. Auch wenn bei Männern der Familie Brustkrebs auftritt, sollte man einen genetischen Test vornehmen.

 

Persönliche Krebsgeschichte:

Frauen, die bereits Eierstockkrebs oder auch eine andere Krebserkrankung hatten, könnten von genetischen Tests profitieren, um mögliche zukünftige Risiken besser zu verstehen und ggf. an Vorsorgemaßnahmen teilzunehmen.

Aber Familien werden heute immer kleiner. Wie sehr machen genetische Tests Sinn, wenn nicht auf das Wissen und die Hintergründe unterschiedlicher Generationen zurückgegriffen werden kann? „Das Wissen um genetische Risiken für die eigene Gesundheit und künftige Generationen ist von großem Wert in Hinblick auf die Vorsorgeund auch den proaktiven Umgang mit der Gesundheit und Familienplanung, zum Beispiel wenn eine Schwangerschaft gewünscht ist" , plädiert Jacek Grabowski.

 

Aber natürlich handelt es sich stets um eine sehr individuelle Entscheidung, ob Frauen sich testen lassen und was sie mit dem Ergebnis machen. Unter Umständen müssen sie Entscheidungen abwägen, deren Tragweiten oft sehr persönlich und meist schwer zu überschauen sind. „Teilt man das Ergebnis mit seinen Angehörigen? Lässt man sich prophylaktisch operieren? Legt man die Familienplanung auf Eis? All das muss man bedenken", sagt Jacek Grabows-ki. „Eine genetische Sprechstunde gibt Raum und Zeit für all diese Überlegungen, um zu einer bestmöglichen Entscheidung zu kommen.


Priv.Doz. Dr. Jacek Grabowski
Teamleitung Ambulante Spezialfachärztliche Versorgung (ASV)

Klinik für Gynäkologie, Campus Virchow Klinikum Charité Comprehensive Cancer Center (CCCC)|

Charité Universitätsmedizin Berlin